Das Web 2.0 also Entwicklungsturbo
Schon lange bin ich der Meinung, dass das Web, und speziell das Web 2.0, die Weiterentwicklung der Menschheit massiv beschleunigen wird. Das gesamte Wissen der Menschheit (oder gute Teile davon) sind auf Seiten wie Wikipedia mit einem Mausklick verfügbar. Jeder kann seine Ideen auf sozialen Netzwerken wie Facebook oder Twitter innert Sekunden der ganzen Menschheit (oder guten Teilen davon) verfügbar machen. Und jeder kann mit jedem Ideen und Meinungen austauschen, diskutieren und weiterentwickeln.
Matt Ridley 1) bringt auf den Punkt, wie das vor sich geht: wenn Ideen Sex haben, dann geht es vorwärts. Sex ist dabei eine sehr schöne Analogie: Wenn sich zwei Ideen „sexuell“ weiterentwickeln, dann bedeutet das, dass nicht eine über die andere siegen muss, sondern dass sie sich vermischen können und damit eine neue, dritte Idee „gebären“ können, die besser ist als die beiden Ideen, aus denen sie entstanden ist.
Ron Hale-Evens 2) kommt zu einem ähnlichen Schluss, er redet von “memetic sex”. Meme sind in diesem Zusammenhang sich selber reproduzierende Ideen, also Ideen, die sich weiter verbreiten. Ein Mem verhält sich in der Welt der Ideen so, wie sich ein Gen in der physischen Welt verhält.
Was es braucht, damit Ideen Sex haben können, beschreibt Matt Ridley grossartig, in dem er einen Faustkeil unserer Urahnen einen Computermaus gegenüberstellt. Beide Gegenstände wurden perfekt auf die menschliche Hand angepasst. Das ist ungefähr die einzige Gemeinsamkeit, neben (ja, wer hätte das gedacht… zahlreichen Unterschieden:
Der Keil besteht aus einem Material (Stein), die Maus aus ganz vielen (Plastik, Silikon, Metall, …). Der Keil wurde von einem Menschen hergestellt. An der Herstellung einer Computermaus waren tausende, wenn nicht Millionen von Menschen beteiligt, denn man muss beispielsweise auch den kolumbianischen Kaffeproduzenten dazuzählen, der den Kaffee herstellte, denn die Crew auf er Ölbohrinsel trank, als sie das zur Herstellung des Plastik notwendige Erdöl an die Oberfläche beförderte.
Der wichtigste Unterschied ergibt sich jedoch aus der Frage, wer denn weiss, wie man die beiden Gegenstände herstellt. Beim Faustkeil ist die Antwort einfach: der, der den Keil hergestellt hat, der weiss auch, wie das geht. Bei der Computermaus ist die Antwort auch einfach: niemand weiss, wie man eine Computermaus herstellt. Niemand! Der CEO von Logitech weiss es nicht, er weiss nur, wie man eine Firma führt, vom raffinieren des Erdöls zum Beispiel hat er keinen Schimmer. Der chinesische Fabrikarbeiter weiss nur, wie man die einzelnen Teile einer Maus zusammensetzt, hat aber keine Ahnung, wie man Plastik herstellt. Und so weiter.
Die verblüffende Erkenntnis daraus: Eine Computermaus ist aus einer Vielzahl von Ideen entstanden. Aus der Idee von Erdöl, der Idee von Plastik, der Idee von Computer, der Idee von User Interface, der Idee von Schrift, … Alle diese Ideen zusammen ergeben die Computermaus. Nicht die Fähigkeit eines einzelnen konnte eine Computermaus erschaffen, sondern die verschmolzenen Ideen Tausender!
Soziale Netwerke machen es möglich, dass sich Meme bilden können, Ideen also, die sich schnell fortbewegen und verbreiten können. Diese Ideen können sich dann miteinander „paaren“, also miteinander Sex haben und so neue Ideen“gebären“. Die Intelligenz des Einzelnen geht also in der Intelligenz der „Cloud“ auf, bzw. kann sich durch diese manifestieren. Es ist in diesem Zusammenhang nicht erstaunlich, dass sich Darstellungen des Web und des Hirns erstaunlich ähnlich sind. Es kommt also nicht mehr auf den IQ des einzelnen an für die Weiterentwicklung der Menschheit. Viel relevanter ist die Frage, wie gut Ideen kommuniziert und ausgetauscht werden. Und da das mittels sozialer Netzwerke besonders gut gelingt, bin ich der Überzeugung, dass das Internet ein Entwicklungsturbo ist, der die Menschheit entschieden voranbringen wird.
1) Matt Ridley, When Ideas Have Sex, TED-Talk >Link
2) Ron Hale-Evans, Mind Performance Hacks: Tipps and Tools for Overclocking your Brain (Hack #26)
Das Gegenteil ist *auch* richtig
Dieser Post ist ein Nachtrag zum letzten Post. Oder besser gesagt: eine Ergänzung.
These
Mein letzter Post enthält (unter anderem) die Aussage, dass man nicht aus Fehlern, sonder aus Erfolgen lerne. Die Aussage dort war, dass du von Fehlern nur lernen kannst, was nicht funktioniert. Und dieses Wissen bringt dich nicht weiter. Auch die Evolution baut auf den Erfolgen auf: das, was funktioniert, wird weiterentwickelt.
Diese Argumentation leuchtet unmittelbar ein. Fehler an und für sich sind Rückschläge. Und diese behindern das Weiterkommen. Erfolge hingegen bringen dich weiter. Und darum geht es ja schliesslich.
Antithese
In der neusten Ausgabe von Wired bin ich auf folgendes Zitat von Fred Brooks gestossen:
Man kann mehr aus Fehlern lernen als vom Erfolg. Bei einem Misserfolg bist du gezwungen herauszufinden, was nicht funktioniert hat. Aber bei Erfolg kannst du glauben, alles was du getan hast, sei grossartig. Auch wenn tatsächlich einige Teile überhaupt nicht funktioniert haben. Misserfolg zwingt dich, der Realität ins Auge zu schauen. *)
Auch diese Argumentation leuchtet ein. Erfolge können dich dazu verleiten, dich auf deinen Lorbeeren auszuruhen und dich selbstzufrieden zurückzulehnen. Erfolge können dich blenden. Darum sind Misserfolge heilsamer. Sie bringen dich dazu, dich kritisch zu hinterfragen.
Synthese
Woraus also lernst du nun am besten, aus Erfolgen oder aus Misserfolgen? Die (nicht so) überraschende Antwort: aus beidem! Vorausgesetzt, du nimmst beides als Lernsituation wahr. Und genau das, und nur das!, sollten sowohl Erfolg als auch Misserfolg sein: Lernsituationen!
Erfolg sollte dich nicht veranlassen, auf dem Erreichten auszuruhen oder Stolz und Arroganz zu entwickeln.
Misserfolg sollte dich nicht entmutigen oder verunsichern.
Nein, Erfolg und Misserfolg sollen dich ermutigen, weiter zu gehen und dabei auf dem Erreichten aufzubauen. Erfolg und Misserfolg sind beides nur Sprossen auf der Leiter des Lebens. Und wie bei der Leiter werden auch hier die Sprossen in dem Moment bedeutungslos, in dem man sie überwunden hat.
Übrigens beinhaltet diese Post noch eine weitere Erkenntnis: Paradoxa sind wahr – und das Nachdenken über sie bringt uns weiter. Doch dazu mehr ein andermal.
*) Das ganze spannende Interview (englisch) zwischen Kevin Kelly und Fred Brooks findet sich in der aktuellen (18.08) Ausgabe von Wired.
Trampelpfade hinterfragen
Es ist sehr bequem, auf gewohnten Pfaden zu trampeln und sie nicht zu hinterfragen. Bei den Dingen, die dir wirklich wichtig sind, empfiehlt sich aber ein Schritt neben den Pfad. Und dann ein paar Schritte in die entgegengesetzte Richtung zu gehen, vorsichtig, aber bestimmt. Klingt paradox? Ist es auch! Muss es auch sein!
Schauen wir doch einmal ein paar fest verankerte Weisheiten unseres täglichen Lebens an. Weisheiten, die zu Trampelpfaden geworden sind, auf denen wir unhinterfragt weiter gehen:
- Man lernt aus Fehlern.
- Einschränkungen sind ein Nachteil.
- In der realen Welt funktioniert das nicht.
- Ich würde gerne, aber mir fehlt einfach die Zeit dazu.
Und hier die ersten Schritte in die andere Richtung. Weiter gehen musst und kannst du selber!
- Aus Fehlern lernst du nur, was nicht geht. Aber das bringt dich nicht weiter. Aus Erfolgen hingegen lernst du, was funktioniert. Und das kannst du wiederholen und verbessern. Übrigens funktioniert die Evolution genau so: Erfolgreiches verbessern.
- Einschränkungen sind nicht nur kein Nachteil, im Gegenteil beflügeln sie die Fantasie und machen dich kreativ. Beispiel Literatur: Warum tun sich grosse Schriftsteller Sonette an, Hexameter, Limericks und Haikus? Weil diese formalen Einschränkungen die Fantasie beflügeln. Und so ist es auch im täglichen Leben. Einschränkungen sind versteckte Vorteile. Finde Sie!
- Mit der Aussage, dass so etwas in der realen Welt niemals funktionieren kann, werden viele guten Ideen im Keim erstickt. Ist ja klar, wenn es so einfach wäre, dann hätten das andere schon lange gemacht. Dabei geht vergessen, dass es mit einer guten Idee nicht getan ist. Ideen haben ist einfach. Entscheidend aber ist, dass du die Idee umsetzt. Was du tust ist entscheidend, nicht was du denkst oder sagst! Also: beginne damit. Die „reale Welt“ ist nämlich kein Ort, sondern nur eine billige Entschuldigung!
- Wenn du keine Zeit dafür hast, dann willst du es auch nicht wirklich. Denn wenn du etwas wirklich, wirklich willst, dann findest du die Zeit. Stiehl dich also nicht aus der Verantwortung. Zeit ist nicht etwas, das man hat, sondern etwas, dass man sich nehmen muss. Also nimm sie dir!
Wenn dich das Thema interessiert:
Du bist alles. Und nichts.
Die Luft, die du ausatmest, atme ich ein. Der Gedanke, den ich äussere, schwirrt in deinem Kopf herum (lies nur weiter, du wirst schon sehen ).
Soweit ist das ja ganz in Ordnung. Sobald etwas meinen Körper verlässt (Luft, Schallwellen), bin ich nicht mehr Herr darüber. Also für uns ist das in Ordnung. Für uns, die wir ein Konzept von “Ich” im Kopf haben, welches im Grossen und Ganzen als Hautsack, der Fleisch und Knochen umschliesst, definiert werden kann. Alles, was sich innerhalb meiner Haut befindet, darüber kann ich verfügen, ausserhalb davon ist die Aussenwelt, der ich ausgeliefert bin. Der Flügelschlag eines Schmetterlings in Hinterindien verursacht einen Gewittersturm in Westeuropa. Aber ich habe nichts damit zu tun.
Dieses Konzept ist falsch. Trägst du eine Armbanduhr oder ein Schmuckstück? Bist du das? Nein, das bist nicht du, das ist dein Schmuckstück, deine Uhr. – Aber der Arm, der das Schmuckstück trägt, bist das du? Nein nein, das ist dein Arm. – Und wie ist es mit dem Körper, an dem der Arm baumelt? Wieder Fehlanzeige, das ist bloss dein Körper. – Wenn wir noch einen Schritt weiter gehen, dann bist es vielleicht du, der zu mir spricht, der mir antwortet? Nein, das ist bloss deine Stimme, sind bloss deine Worte, die durch deinen Mund artikuliert werden. – Ok, aber jemand muss ja dem Mund befehlen, zu sprechen, und ihm auch vorgeben, was er sagen soll. Bist das du? Nein, das sind deine Gedanken. – Und der Stolz auf das Schmuckstück? Das sind deine Gefühle.
Ja aber wo ist des denn, dieses “Ich”? Huhuh? Atmest Du noch? Wächst du noch immer deine Haare, schlägst du dein Herz? Siehst du, was hier steht? Ich meine, ist das etwas, was du machst? Organisierst du das funktionieren deiner Augen? Kümmerst du dich um deine Atmung, deine Gefühle, deine Gedanken? Oder ist es nicht eher so, dass das alles einfach passiert? Deine Atmung, deine Gedanken, deine Gefühle, alles passiert, geschieht. So wie auch die Wellen auf dem Meer geschehen, der Sonnenaufgang und die Lawine. Der Wind geschieht heute vielleicht kühl, der Himmel passiert blau und das Meer wogend. Die Atmung geschieht flach, die Gedanken aufgewühlt. Alles ist ein riesengrosses Geschehnis, ein Happening. Und alles bist du! Alles gehört untrennbar zusammen. Es besteht kein Unterschied zwischen dem Geschehen deines Atems und dem Geschehen des Windes. Beides ist Luft, die sich bewegt.
Ich meine: Atmest du? Dein Atmen, dein Denken, dein Fühlen, dein Hören, dein Sehen, all das machst du nicht, es passiert.
Du kannst deine Gedanken nicht kontrollieren (oder hör mal auf zu denken!). Deinen Herzschlag auch nicht. Deine Atmung nur sehr eingeschränkt (oder atme mal für 5 Minuten nicht). Und deinen Bewegungsapparat so mehr oder weniger (Handstand? Salto?).
Viel zutreffender wäre: das Hirn denkt (nicht Ich denke), das Herz schlägt, das Universum bewegt sich, und ich füge mich ein. Denn nur wenn sich das Universum an der entsprechenden Stelle einzieht, kann ich meinen Arm dort ausstrecken! Sowieso brauchen wir dieses Konzept von “Ich” sehr undifferenziert. Wir sagen: mein Haus, mein Freund, meine Hose, meine Magengrube, meine Gedanken. Aber: die Luft, das Wasser, die Erdanziehung. Als ob das eine zu uns gehört, und das andere nicht. Ohne Haus und Freund könnten wir problemlos überleben, ohne Luft und Wasser jedoch nur sehr kurze Zeit.
Der Flügel eines Schmetterlings in Hinterindien schlägt – einen Gewittersturm tobt in Westeuropa – dein Herz schlägt – in deinem Kopf toben Gefühle. Alles passiert einfach. Für sich, miteinander, nacheinander, durcheinander. Natürlich gibt es Ursachen und Wirkungen, aber das geschieht nicht in Ketten, in Linien. Ursache und Wirkung geschehen netzförmig. Jede Ursache ist die Wirkung mindestens einer anderen Ursache. Jede Wirkung hat also mehrere Ursachen. Und alles läuft nicht von der Vergangenheit in die Zukunft, sondern auch in die andere Richtung! (Aber davon ein andermal mehr!)
Nimm dich nicht so wichtig – nur so wichtig, wie du wirklich bist. Du bist Teil vom Ganzen. Das Ganze aus dem Blickwinkel eines Teils. Alles hat die Bedeutung, die du ihm gibst. Das ist alles, was du dazu beiträgst. Nicht mehr und nicht weniger.
(frei nach Alan Watts, Steve Grand)