Bin grad Mercier am Lesen – Nachtzug nach Lissabon. Gefällt. Sogar sehr! Vor allem die Aussage, die er dem kursiven Protagonisten in den Mund legt, dass Liebe Kitsch sei. Nur Begierde, Wohlgefallen und Geborgenheit existieren. Und alle drei seien flüchtig, am wenigsten die Geborgenheit, aber letztlich auch sie. Mir gefällt der Gedanke, vor allem, weil der Begriff “Liebe” derart abgegriffen ist. Schon als Primarschüler habe ich ihn in Poesiealben verwendet, heute begene ich ihm auf jeder Zuckerpackung (einer der Gründe, weshalb ich meinen Kaffee ungezuckert trinke). Mittlerweile ist mir der Begriff suspekt.

Wie weit sind die Begriffe zu trennen und zu unterscheiden? Begierde ist der am schnellsten zu befriedigende, dafür auch der flüchtigste. Immer schneller dreht sich das Rad: Zuerst braucht es mehr und mehr der gleichen Lust, in immer kürzerer Folge. Dann steigern sich die Ansprüche und in zunehmender Geschwindigkeit verkomplizieren sich die Bedürfnisse und Lustgewinn kann nur noch in immer bizarreren Formen gefunden werden. Die Evolution der Sucht halt, denn das Rad kann nicht verlangsamt werden. Faszinierend und grausam gleichzeitig!
Geborgenheit ist der Zustand, wo alles stimmt. Der Hafen in rauer See. Die wohlige Höhle im eisigen Winter. Dieser Zustand ist selten und wird nicht einfach erreicht. Er ist eine Gnade, etwas, das einem widerfährt. Die höchste Form, die Geborgenheit im Universum, ist DAS spirituelle Ziel – mit je nach spirituellem Weg unterschiedlicher Bezeichnung.
Zwischen beiden Begriffen nun liegt der des Wohlgefallens. Während sich die Begierde im Laufe des Lebens immer schneller, die Geborgenheit immer langsamer evolviert, stellt das Wohlgefallen eine Konstante dar. Ich fühle mich besser, wenn ich einen schönen Menschen sehe oder schöne Musik höre. Natürlich entwickelt sich das Verständnis der Ästhetik im Laufe des Lebens, aber mengenmässig bleibt das Bedürfnis nach Wohlgefallen konstant.

Wendet man die drei Begriffe auf menschliche Beziehungen an, so werden sie in der Regel von verschiedenen Personen befriedigt. Von verschiedenen Personen im Verlaufe des Lebens, das ist offensichtlich. Ist es aber nicht auch so, dass die drei Begriffe auch in einer bestimmten Lebensspanne von verschiedenen Personen befriedigt werden (müssen, sollen, können)? Dass die Befriedigung aller drei Bedürfnisse durch eine Person die Ausnahme ist und dass nur diesfalls der Begriff der Liebe angemessen ist. Für eine spezielle Form davon haben wir sogar ein eigenes Wort: Mutterliebe. Natürlich strebt jeder nach diesem Ideal der liebenden Dreieinigkeit. Vernünftig jedoch ist das nicht. Viel vernünftiger wäre es, seine Energie auf etwas Erreichbareres zu richten, das regelmässige posten in einem Blog beispielsweise…